Stadtwohnung in altem Gefängnis in Stuttgart | SWR Room Tour
In Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt gibt es einen historischen Gebäudekomplex mit sehr ungewöhnlichen Wohnungen. Die früheren Bewohner des denkmalgeschützten Backsteinbaus waren Landstreicher, Zuhälter und Kleinkriminelle. Und auch heute noch erinnert einiges an ihre Zeit hier im ehemaligen königlichen Amtsgefängnis.
Erbaut wurde es 1889/1890. Aber statt der 33 Zellen und dem Verwaltungstrakt befinden sich heute acht Wohneinheiten darin. Sie sind zwischen 71 und 150 Quadratmeter groß.
1985 wurde das Gebäude in die Liste der baden-württembergischen Kulturgüter aufgenommen. Viele historische Elemente, wie die schweren Zellentüren, die Durchreichen für Essen oder die Gitterstäbe blieben wegen des Denkmalschutzes erhalten. Auch die historische Mauer, die zeitgleich mit dem Gebäude errichtet wurde, umfasst noch heute das 1.900 Quadratmeter große Grundstück, das sich im ältesten Stadtbezirk Stuttgarts, in Bad Cannstatt befindet.
Bis zu der ungewöhnlichen Umnutzung des alten Gefängnisses hat das Gebäude eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Während der Regierungszeit von König Karl wurden hier Menschen mit geringeren Delikten inhaftiert: Landstreicher, Zuhälter, Prostituierte, Kleinkriminelle. Später, während der NS-Zeit, wurden dann auch Widerstandskämpfer hinter die Gitter gesperrt. Nach dem zweiten Weltkrieg war es zeitweise ein reines Frauengefängnis, dann eine Untersuchungshaft für Männer und 1964 wurde es schließlich als Gefängnis aufgelöst. Eine Zeit lang wurde es dann als Asservatenkammer für Diebesgut genutzt. Dann stand es mehrere Jahre leer.
Aufgrund des Denkmalschutzes ist die weitere Nutzung oder Umnutzung des historischen Gebäudes nicht unkompliziert. Es gibt eine Menge Auflagen der Denkmalschutzbehörde. Die kleinen Zellenfenster und auch die Fassade sollen zum Beispiel weiterhin erhalten werden. Bauingenieur Rolf Fuhrmann, der auf historische Objekte spezialisiert ist, erkennt das Potential des Baus und erwirbt den ehemaligen, leerstehenden Knast. Nach der Planung werden Kapitalanleger und zukünftige Eigentümer gesucht, zu denen auch Andreas und seine Frau gehören. Das Objekt wird schließlich 2007 saniert und schlüsselfertig übergeben. Aus dem ehemaligen Gefängnis und historischen Kulturguts werden zeitgemäße Stadtwohnungen. Für die Wohneinheit von Andreas und seiner vierköpfigen Familie wurden zwei Wohnungen zusammengelegt.
Die Kosten des gesamten Umbaus lagen bei knapp drei Millionen Euro. Energietechnisch von Vorteil sind die dicken, massiven Außenwände des Gebäudes aus dem 19. Jahrhundert. Das Dach ist im Neubaustandard wärmegedämmt und die Fenster wurden doppelt isolierverglast.
Ein Film von Bastian Epple (Redaktion und Schnitt), Enno Endlicher (Kamera) und Philipp Krebser (Ton). Produktion: EIKON Media GmbH, im Auftrag des SWR.
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=3CnR27Poa-g